Die COVID-19 Pandemie in Singapur


Weltweit ist Singapur bekannt für den frühen Einsatz von Maßnahmen und dem generellen Umgang mit dem Corona-Virus. In einer Harvard Studie wird Singapur sogar als „gold standard“ betitelt und als Benchmark herangezogen. Doch wie fühlt sich das Leben, als Student aus Österreich während der Pandemie, in dem Stadtstaat für uns als Austauschstudenten an?
Bis Dienstag, den 7. April, konnten wir Studierende uns noch treffen und im Gras picknicken, ohne von den Securities darauf hingewiesen zu werden, mindestens zwei Meter Abstand zu halten. Diese Freiheit konnte so lange hinausgezögert werden, weil die Universität und Regierung bereits so früh Maßnahmen verhängten, um die Studierenden und die am Campus arbeitenden Personen zu schützen. Die erste zweiwöchige Quarantäne für Einreisende aus China wurde nämlich bereits ab 13. Jänner verhängt. Die Betroffenen konnten zwar in ihren eigenen Räumlichkeiten bleiben (also wurden nicht in eigene Quarantäne-Zimmer gebracht, welche die Regierung vorbereiten ließ), durften aber nicht aus ihrer Wohnung. Drei Mal täglich wurde ihnen Essen gebracht, aus ihrem Zimmer durften sie nur zum Badezimmer oder in die Küche. Einer meiner Mitbewohner war davon betroffen. Wie ich das herausfand? Indem ich am dritten Tag eine Mitarbeiterin fragte, wieso er täglich Essen geliefert bekommt. Davor gab es keine offizielle Information der Zuständigen, die kam erst ein paar Tage später. Es läuft also selbst hier nicht alles ganz nach Plan.
Mit 10. Februar startend mussten wir zwei Mal täglich unsere Temperatur messen und eintragen (was aber nur wenige wirklich befolgten, da es keine Konsequenzen gab) und alle Kurse mit mehr als 50 Teilnehmenden fanden online statt. Für die kleineren Kurse hatten die Vortragenden dafür die extra Aufgabe, zwei Mal pro Einheit Fotos der Raumaufteilung & von den Studierenden zu machen. Diese wurden dann hochgeladen und wären von der Task Force der Regierung für den Fall einer Erkrankung einer Studentin bzw. eines Studenten zum Tracing/Tracking verwendet worden. Das Tracing war nämlich einer der Gründe, wieso anfänglich die Kurve so flach war. Auf der Website des Gesundheitsministeriums wurde jede infizierte Person mit einer Nummer versehen und online war einsichtig, welche Fälle miteinander verbunden waren und zu welchen „Clustern“, also Gruppierungen, sie gehören. Hinsichtlich des Tracings wurden an der Universität nicht nur Personen, die in direktem Kontakt mit Infizierten waren, in Quarantäne geschickt, sondern auch diejenigen, die mit den Kontaktpersonen selbst in direktem Kontakt waren (also Kontaktpersonen 2. Grades), mussten drei bis fünf Tage Social Distancing (mit einer Heimquarantäne vergleichbar) betreiben.
Nach der eher frühen DOSCORN Warnstufe Orange (darüber gibt es nur noch die Stufe Rot) und den daraus resultierenden ausverkauften Schutzmasken und generellen Hamsterkäufen (kein Toilettenpapiermangel, dafür zu wenig Eier) kehrte hier ehrlicherwiese schnell wieder Normalität ein. Wir sind daher anfänglich noch weiterhin fleißig in Südostasien herumgereist, mussten jedoch online die genauen Flug- und Reisedaten eintragen, damit im Fall eines stark betroffenen Gebiets eine Quarantäne verhängt werden kann. Das wurde später auch (zum Teil rückwirkend) durchgezogen und ca. 80% der Reisenden eines Wochenendes waren dann zwei Wochen lang in ihrem Zimmer. Zur gleichen Zeit flogen viele Austauschstudenten und -studentinnen, auf Empfehlung der Universitäten und Regierungen weltweit, zurück nach Hause. Die ganze Situation fühlte sich damals ein wenig surreal an – ein Drittel der Internationals waren in Quarantäne, ein weiteres Drittel flog heim und verabschiedete sich nach nur etwas mehr als zwei Monaten und das letzte Drittel fühlte sich wie im falschen Film, weil sie „verschont“ wurden.
Trotz aller Quarantänen und Online-Kurse ging das Leben noch so normal wie möglich weiter – alle Shopping-Malls, Restaurants und Läden hatten noch geöffnet. Aufgrund der sehr niedrigen Infektionsrate und der sehr geringen Chance angesteckt zu werden, gingen wir Studierenden weiterhin zu Partys und saßen in normal in der Kantine und in den Unterrichtsräumen. So mühsam es auch war, zu der Zeit seine Temperatur zu messen und bei jedem Museum, Club und Restaurant seine Daten anzugeben, so sehr fühlte man sich dadurch auch ein Stück sicherer. Trotz dieses Sicherheitsgefühls schaffte es die Regierung jedoch nicht, mich dazu zu bringen „Trace Together“ herunterzuladen. Diese App verfolgt deinen Tagesablauf (wenn du sie geöffnet hast) und benachrichtigt dich, sollte einer deiner Begegnungen positiv getestet werden. Einige der anderen Austauschstudenten benutzen die App sogar, jedoch nur ein Bruchteil. So sehr hat man dann doch nicht den Drang, die Privatsphäre aufzugeben.
Seit 7. April befindet sich Singapur auch im Lockdown, hier „Circuit Breaker“ genannt. Seitdem ist das Leben hier sehr stark eingeschränkt. Es gibt nur noch Essen zum Mitnehmen, dann sitzt man gemeinsam mit jeweils zwei Meter Abstand im Gras (was laut Erzählungen meiner Freunde nicht mehr möglich ist) und spricht darüber, wann die nächsten Studierenden nach Hause fliegen. In manchen Residental Colleges (diese haben einen stärkeren Community-Faktor als meine Unterkunft, welche eher einer Apartment-Anlage gleicht) müssen die Bewohnerinnen und Bewohner angeben, wenn sie den Campus verlassen. Benötigte Informationen dabei: Grund, geplanter Ort, Transportmittel und Uhrzeit/Dauer. Sämtliche Tische und Sitzgelegenheiten wurden entweder ganz weggeräumt oder mit großen Schildern oder rotem Klebeband versehen, um zu zeigen, dass dort niemand sitzen darf. Mehrere Securities patrouillieren am ganzen Campus und weisen alle, die sich zumindest zu zweit fortbewegen darauf hin, Social Distancing zu betreiben. Sollte sich jemand nicht (genau) an die Regeln halten, springen gerne auch besorgte einheimische Studierende für die Securities ein und machen Fotos der „Übeltäter“, um sie online anonym bloßzustellen.
Zusammenfassend kann man also sagen, dass nach langer Verzögerung die Corona-Krise in Singapur angekommen ist. Trotz App, Quarantänemaßnahmen, Androhungen von Strafen über 10 000 Singapur Dollar und/oder sechs Monaten Haft und der Freigabe meiner Daten. Fühle ich mich sicher? Schon irgendwie. Bin ich trotzdem seit 10. April wieder in Österreich? Ja. Weder konnte mir versichert werden, dass ich im Zweifelsfall mein Visum verlängern könnte, noch, dass ich weiterhin am Campus ein Zimmer hätte. Da bin ich dann doch lieber wieder daheim in Österreich.